20 Jahre Open Air JuZe Naturns

…wenn das nicht ein Grund für eine Sonderausgabe ist 😉

Eine kleine Reise durch die Zeit gefällig? Es war das ferne Jahr 2002 als das 1. Open Air des JuZe Naturns das Licht der Welt erblickte. Der Festplatz in Naturns verwandelte sich von da an einmal im Jahr in eine Open Air Location und holte Bands der musikalischen Subkulturen aus ihren Kellern ans Tageslicht. Im Laufe der Jahre änderten sich Namen und Datum – fand es einige Jahre am Ende der Festivalsaison statt und hieß ganz simpel Open Air, Schools Opening und Rock n‘ Roll Fever war ab 2013 mit ETSCHSIDE der finale Name für das Open Air gefunden und auch das Datum wurde mit Juni an den Anfang der Festivalsaison verlegt.

Gemeinsam mit den abwechselnden Verantwortlichen – zuerst Jacky – dann Luk und seit 2 Jahren Coschto- schauen wir in dieser Ausgabe auf die 20 Jahre Open Air zurück. Eve hat die drei zu ihren Erinnerungen befragt:

Interview mit Markus Stocker alias Jacky

Erzähl doch mal von den Anfängen des Open Air. Wie begann denn alles?

(Lacht) Also da hole ich jetzt etwas weiter aus. Ich habe damals gemeinsam mit Elmar Niederbrunner, das JuZe „geschmissen“ – er war der Leiter und ich habe als Quereinstei-ger in die Jugendarbeit reingeschnuppert. Ich war mit für den Treff zuständig und konnte dort meine eigenen Ideen mit ein-bringen. In diesem Jahr (2002) hatte Roli, ein befreundeter Jugendarbeiter von Elmar, in Schlanders das Festival „Matscher Au“ begründet und daraus entstand bei Elmar und mir die Idee in Naturns das „Schools Opening“ zu machen. Ich habe damals in der Band „Outback“ gespielt und war schon deswegen Feuer und Flamme dafür. Elmar war der Kopf und ich habe die Laufarbeit gemacht.

Wenn du an die Anfangsjahre zurückdenkst – was war die größte Herausforderung. Ist dir etwas in Erinnerung geblieben?

Ja, da fällt mir schon was ein. Das Organisatorische war machbar und zu handlen. Eine Herausforderung bzw. ein großes Problem war – mir kommt manchmal vor vielleicht auch ein Naturnser Problem – mit der Naturnser Bevölkerung – sobald ein paar Jugendliche sich in einer größeren Gruppe, wie bei unserem Open Air zusammenfanden, hieß es – die machen nur „Casino“ und „Puff“. Bei jedem anderen Waldfest hat es Schlägereien oder die eine oder andere Schnapsleiche gegeben, aber wenn bei unserem Festival vielleicht die eine oder andere Blume daran glauben musste, waren die Jugendlichen und das JuZe sofort im Fokus In den Anfängen mussten wir uns sehr stark wehren, dass wir das Open Air weiterhin machen konnten. Es gab einige Petitionen und Interviews gegen die Aus-richtung des Open Air und wir mussten uns gegen viele Widrigkeiten durchsetzen. Wir haben mit dem Forum Prävention eng zu-sammengearbeitet, die Preise für alkoho-lische Getränke angehoben und natürlich keinen Superalkohol angeboten. Bei jedem anderen Fest gehört der „ Schapsbudl“ dazu und mit dem „Gling,gling“ der Glocke wird zum Saufen angeregt – aber wenn es um die Jugend geht, sind alle plötzlich sehr empfindlich.

Wie lange warst du eigentlich dabei?

Und was war dein persönliches Highlight in den Jahren wo du das Open Air begleitet hast?

Die ersten 3-4 Jahre war ich zuständig und danach war ich noch einige Jahre im Vorstand und habe in dieser Zeit auch noch beim Open Air selbst aber auch vorab bei der Ideensuche und möglichen Bands mitgeholfen.

Musikmäßig haben wir das erste Jahr mit Reggae – und dann mit Rockabilly und Rock n`Roll weitergemacht. Zu der Zeit war im Vinschgau vor allem die Ska-Szene stark vertreten, in Bozen stand Metal im Mittelpunk und wir hatten eine große Szene mit Rockabillyfans.

Mein absolutes Highlight waren The BONES aus Schweden – mit ihrem schnelleren, nicht ganz klassischen Rock bzw. Rock n`Roll. Das war nicht nur musikalisch ein Höhepunkt, sondern auch mit 1600 Eintritten wahrscheinlich das bestbesuchteste – ein richtig geiles Festival, wo es umso mehr Spaß gemacht hat zu arbeiten und die Besucher:innen sich im Anschluss sehr für den super Abend bedankt hatten. Dieses Open Air bleibt mir auf alle Fälle in Erinnerung.

In den Folgejahren ist leider alles etwas abgeflacht, auch die Szene und daher haben wir begonnen ein durchgemischtes Angebot für das Open Air zu setzen um eine breitere Masse an Besucher:innen anzusprechen.

Wenn man sich umsieht, sind Jugendliche unter 18 zurzeit bei den meisten herkömmlichen Open Airs die Ausnahme. Daher meine Frage: Machen Open Airs wie früher heute überhaupt noch Sinn?

Für Open Airs mit Livemusik ist es momentan sichr eine schwere Zeit, da bei den Jugendlichen vor allem elektronische Musik angesagt ist. Und solche Events sind viel kostengünstiger. Es macht einen Unterschied ob ich einen DJ hole, der den ganzen Abend für verhältnismäßig wenig Geld für geilen Sound sorgt, oder wie bei Open Airs mehrere Bands geholt werden und dementsprechend um ein Vielfaches mehr kosten. Ich glaube aber, es ist eine Phase – wie in der Vergangenheit, beispielsweise in den 90ern wo Italo-Techno mit DJ Molella, Fargetta usw sehr stark war – so sind nachher aber auch wieder die Open Airs aus dem Boden gesprießt. Ich denke die elektronische Musik wird bleiben und einen großen Part einnehmen, aber Livemusik ist Livemusik und ich glaube die Kids werden schon wieder zurückkommen und dies auch wieder zu schätzen wissen.

Interview mit Lukas Erlacher alias Luk

Nachdem Elmar und Jacky gestartet waren hast du bis 2019 die Fäden gezogen. Seit wann warst du dabei und an was erinnerst du dich, wenn du an diese lange Zeit denkst?

Jetzt muss ich weit ausholen, ich weiß, dass ich mit meiner Band ROS unseren allerersten Auftritt beim Open Air 2002 hatte. 2003 war ich selbst Gast und weiß noch, dass die ROT gespielt haben, eine extrem coole Hardcore Band aus dem Ahrental. 2004 war ich dann Zivi und da war bereits Martin im Team und hatte ganz fest mit mir für das Open Air gerechnet, aber ich hatte meinen Urlaub schon für September gebucht und daher war ich in diesem Jahr nicht dabei. Das Jahr darauf war ich dann schon bereits als Jugendarbeiter im JuZe fix angestellt und somit auch eingebunden in die Planung und Umsetzung des Open Airs. In dem Jahr holten wir „The Bones“ aus Schweden als Headliner und das war eines der Höhepunkte der ganzen Jahre – sehr viele Menschen auf dem Open Air Gelände und damit auch viele Krawalle im Dorf und rundherum.

Am meisten Spaß bei der Planung und Umsetzung vom Open Air hat dir gemacht…

Im Vorfeld die Bands organisieren war immer sehr cool, auch wenn ich anfangs in dem Bereich noch nicht ganz eingebunden war. Es war immer super, wenn dann die Ideen, die gesammelt wurden, in die Tat umgesetzt werden konnten und coole Bands, die einem selbst gefielen auf das eigene Open Air gerholt werden konnten.

Das Vorbereiten war zwar immer anstrengend, war aber aufregend, da man monatelang darauf hingearbeitet hat, da man viel Zeit und Arbeit hineingesteckt hatte und die Vorfreude dann groß war, als es endlich soweit war.

…und was war voll nervig?

Was voll nervig war, war logischerweise das Aufräumen am Sonntag, das war schon immer anstrengend, hatte aber auch immer lustige Momente. Was auch oft nervig war, war das Plakatieren, da ich oft das Gefühl hatte, ich investiere viel Zeit für etwas, wo ich nicht genau wusste ob es wirklich was bringt.

Du hast ja irgendwann dann die OAAG (Open Air Arbeitsgruppe) bzw. spätere Etschsidecrw gegründet – um nicht nur beim Open Air freiwillige Helfer:innen zu aben, sondern die Jugendlichen auch bereits in die Planung reinzuholen. Wie ist das entstanden und was ist super gelaufen bzw. was hat nicht so gut geklappt?

Sowohl Open Air als auch die Konzerte waren Veranstaltungen die anfangs vor allem Jacky und seine Kumpels und dann auch ich mit meinen Kumpels organisiert haben. Nach den ersten Jahren waren wir dann Mitte & Ende 20 und das Open Air Publikum war 10 Jahre jünger. Und da wir diese Veranstaltung ja nicht für uns machen wollten, sondern für die Jugendlichen, war die logische Konsequenz Jugendliche mit ins Boot zu holen, um nahe am Zielpublikum zu bleiben. Zep (Pichler Thomas) war sofort dabei und arbeitete viel mit. Dann kamen auch die „Jokerface“ dazu und meinten, das was wir machen würden, wäre scheiße und sie würden es so und so machen. Und das war dann der ausschlaggebende Punkt die OAAG (Open Air Arbeitsgruppe) zu gründen, um alles etwas strukturierter und besser zu organisieren. Wir holten dann Jugendliche in die OAAG, die Lust hatten, mitzuhelfen und frische Ideen einzubringen, um das Zielpublikum besser zu erreichen.

In der OAAG und späteren Etschsidecrew hatten wir echt oft ein super Team, Jugendliche die sehr motiviert waren und gute Vorschläge für Bands hatten, denn sie wussten genau, was angesagt war, jedoch war es oft nicht machbar, da es nicht leistbar war. Das war oft schwierig, da man die Träume der motivierten Jugendlichen gleich wieder zum Platzen bringen musste, weil es nicht genügend Spendergelder für ihre Wünsche gab und sie in ihrem Alter zwischen 15 und 18 logisch auch noch nicht die Connections hatten, um genügend Gelder für ihre Wunschbands reinzuholen.

Das waren oft schwierige Momente für mich, da ich gerne ihre Wünsche in die Tat umgesetzt hätte – aber ohne genügend Kohle war es leider meistens nicht möglich.

Gibt es eine Anekdote die dir auch noch in 20 Jahren in Erinnerung bleibt?

Oh ja (lacht) Legendär ist das Treppenkonstrukt von meinen Kumpels Georg und Lindi.

Um auf die Bühne zu kommen, haben wir jedes Jahr eine kleine Treppe aus dem vom Aufbau übriggebliebenen Material gebastelt. Und in jenem Jahr haben wir diese Aufgabe aus Mangel an Personal meinen Kumpels übergeben. Wir hatten auch nicht wirklich viel verwendbares Material und so haben sie aus ein paar Brettern eine Treppe mit 2 Stufen – nicht höher als einen halben Meter – zusammengebastelt – beim Stabilitätstest fiel sie aber bereits beim ersten Tritt in sich zusammen. Diese Geschichte erzählen wir uns immer wieder, weil die beiden damals voller Stolz ihr Werk präsentiert hatten und total überzeugt waren, dass die Treppe unheimlich gut funktionieren würde. Leider war sie gar nicht zu gebrauchen.

Dein persönliches Highlight der letzten 20 Jahre?

Was mir hier einfällt ist, wo wir „Mad Sin“ zu uns holen konnten, die damals die Top-Band in der Psycabilly-Szene in Europa war. Sie waren sehr professionell, aber der Szene entsprechend alles ziemlich durchgeknallte Typen. Der Sänger, schon durch seine körperliche Erscheinung beeindruckend– 2 Meter groß, 1 Meter breit und 150 kg und voll tätowiert, war eine richtige Rampensau. Er hatte einen Nasenring, zwischen den Nasenflügeln, der ihm persönlich sehr viel bedeutete und der war nach seinem Auftritt nicht mehr da. Daher suchten wir alle nach dem Auftritt die Bühne und rundherum alles ab – doch er war nicht auffindbar. Und Köfte – der Sänger meinte, der Ring könnte ja auch zwischen die Bühnenmodule gefallen sein. Und so habe ich mich noch bereit erklärt darunter rein zu kriechen und siehe da, der Nasenring war gefunden. Köfte war so außer sich vor Freude, dass er mich sofort an seine schweißdurchtränkte Brust drückte und mich gefühlt eine halbe Stunde nicht mehr los lies und mir dabei fast die Luft ausging. Das war eine intensive Erfahrung (lacht).

Einige Jahre war es dann mit den Besucherzahlen eher etwas schwierig. 2017 ist dann ein Jahr, das mir auch in Erinnerung bleiben wird, als wir Miwata zu uns geholt haben. An dem Tag war die ganze Zeit mieses Wetter – immer wieder hat es geschüttet und geregnet. Aber nach Langem war wieder mal ganz viel los (über 1000 Besucher:innen) bei unserem dem Open Air und trotz schlechtem Wetter und schlammdurchtränkten Boden war vor der Bühne super Stimmung.

Und was möchtest du deinem Nachfolger mitgeben?

Mitgeben möchte ich, dass man weiterhin versucht solange irgendwie ein Interesse an  Livemusik da ist, das Open Air weiterhin zu machen – das finde ich ganz wichtig. Es hat Zeiten gegeben, wo fast ein Überangebot an Open Airs da war, jetzt ist das, glaube ich, nicht mehr so – aber auch die Nachfrage ist nicht mehr so stark da – daher finde ich es umso wichtiger das Etschside weiterhin zu machen, weil es schon ein cooles Angebot ist. Was ich auch noch mitgeben möchte, ist, immer ein offenes Ohr für die Jugendlichen zu haben und musikalische Acts zu holen, die bei ihnen angesagt sind. Andererseits kann man durchaus seiner Linie treu bleiben, da 15jährige zur Zeit eher weniger Livemusik hören. daher kann man ruhig an dem anknüpfen, was in der Vergangenheit gut funktioniert hat.

Interview mit Simon Costanzo alias Coschto:

Seit 2 Jahren bist du zuständig für das Etschside Open Air und die Etschsidecrew. Ich weiß, es war schon seit längerem ein Traum von dir diesen Job zu übernehmen. Als langjähriger Gast und nun als Verantwortlicher kennst du beide Seiten der Medaille. Ist es so, wie du es dir vorgestellt hast?

Natürlich ist nicht alles so wie man es sich vorgestellt hat. Im Nachhinein betrachtet konnte ich mir jedoch schon ein recht gutes Bild von dem machen, was mich erwarten wird. Zum einen hatte ich schon mehrere Veranstaltungen und kleinere Open Airs in der Vergangenheit organisiert, zum anderen war ich auch schon viele Jahre in der Jugendarbeit tätig. Dieser Mix bot mir eine recht gute Vorstellung von dem was mich erwarten würde. Die Realitäten vor Ort sind dann natürlich immer eigen und etwas in das man erst hineinwachsen muss. Um die Frage zu beantworten, ob ich mir die Arbeit für das EOA und mit der Crew so vorgestellt habe: Jain.

Das diesjährige Jubiläum war Anlass für dich und die Crew das Plakat und die Logos nochmals neu zu gestalten. Sind das die einzigen Änderungen oder ändert sich auch die musikalische Linie in Zukunft?

Zum einen sollte mit dem 20 Jährigen Jubiläum das gesamte Auftreten der Etschsidecrew und des Etschside Open Airs überarbeitet und wie wir es gerne sagen „aufgehübscht“ werden. Im Großen und Ganzen hat die Crew aber schon vor, ihrer musikalischen Linie treu zu bleiben. Allerdings ist uns sehr wohl bewusst das auch in der Musik ständig Veränderung herrscht und so wird auch hier von der Etschside Crew versucht werden, am Geist der Zeit dran zu bleiben, ihren Prinzipien und Wurzeln aber treu zu bleiben.